Wednesday, 27th March 2024
27 März 2024

EU-Wahl: Europas Rechtspopulisten vor Schulterschluss

Die AfD und andere rechtspopulistische Parteien wollen im neuen EU-Parlament eine Einheitsfront schmieden. Ihre Nachwuchskader machten in Rom den Auftakt. Sie boten einen Vorgeschmack auf neue Zeiten.

Während in Nordeuropa das Brexit-Drama für schlechte Laune sorgt, kochen im Süden in Rom Emotionen hoch. Ein Vorspiel für ein Event, das am kommenden Montag (8. April) stattfinden soll – aber der Reihe nach. 500 junge Rechtspopulisten aus sechs westeuropäischen Ländern waren nach Italien gekommen. In das Land, das derzeit einen der größten populistischen Aufschwünge in Europa erlebt. Zum Treffen einer neuen „patriotischen Internationalen“ lud die „Lega Giovani“ ein, die Nachwuchsorganisation der italienischen Mutterpartei „Lega“. 

„Lega“-Chef Matteo Salvini tritt derzeit als informeller Leader der Rechtspopulisten in Europa auf

Die schon 30 Jahre alte Partei will bei den Europawahlen richtig abräumen. Die Chancen stehen gut. Umfragen sehen die Partei von Matteo Salvini als stärkste Kraft Italiens.

Doch Innenminister Salvini will mehr. Er organisiert seit Monaten einen Schulterschluss der Rechtspopulisten in Europa. Die Partei-Jugend übte schon.

„Symbol an die Mutterparteien“

Wer nicht weiß, dass in dem kleinen Vier-Sterne Hotel in der Via Palermo, mitten in Roms Altstadt, hunderte Rechtsgesinnte aus ganz Europa tagen, merkt nichts vom Geist, der sich dort breit macht. Draußen gibt es keine Proteste, keine Bürgerinitiative, keine Straßensperren – ganze drei Ordnungshüter bewachen den „Gipfel“ vor der Tür. 

Drinnen, in einem Konferenzsaal ein einheitliches Bild: junge Italiener in dunkelblauen Anzügen oder Sakkos mit weißem Hemd. Frauen sind an zwei Händen abzuzählen. Es ist laut, der Platz knapp, die Stimmung quirlig.

Mittendrin die Chefs fünf weiterer rechtspopulistischer Jugendorganisationen aus Belgien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Österreich. Der offizielle Gast aus Deutschland orientiert sich noch. Soll er von Anfang an vorn auf dem Podium sitzen? – Damian Lohr, 25 Jahre alt, ist seit gut einem Jahr Chef der „Jungen Alternative“ – der AfD-Nachwuchsorganisation.

Während er das in dem Gewusel zu klären versucht, wird er von einem TV-Team um ein Interview gebeten. Ein deutscher öffentlich-rechtlicher Sender bereitet ein Porträt des jungen Rechtspopulisten vor. Das Treffen in Rom soll ein „Symbol an die Mutterparteien sein: Wir gehören zusammen“ – erklärt Lohr. Schon bald gibt es erste Gruppenfotos.

Gruppenfotos der jungen Rechtspopulisten aus Italien, Belgien, Frankreich, Österreich, Großbirtannien und – ganz rechts – aus Deutschland: Damian Lohr, Chef der „Jungen Alternative“

Aus drei mach eins?

Bislang verteilen sich Europas Rechtspopulisten im EU-Parlament auf drei Fraktionen (EKR, ENF und EFDD). In der Vergangenheit scheiterte eine Zusammenarbeit an inhaltlichen Gegensätzen oder weil man persönlich nicht miteinander konnte. Nun soll es eine neue, große, gemeinsame Fraktion geben. Die Einladung zu einer Pressekonferenz nach Mailand wurden nun am Freitag von der AfD verschickt. Als Veranstalter sind die „Lega“ und Salvini angegeben – also wieder Schauplatz Italien. Aus Deutschland soll Parteichef Jörg Meuthen teilnehmen.

Die Einladung kam einen Tag später als erwartet – und ohne Hinweis, ob und welche Vertreter von Parteien anderer Länder daran teilnehmen. Das lässt vermuten, dass die Zusammenarbeit vielleicht doch nicht so einfach ist. 

Bis zu 20 Parteien und Gruppierungen sollen nach Medienberichten in einer „Allianz der europäischen Völker und Nationen“ zusammengehen. Salvini plant eine Wahlkampftour – auch nach Deutschland. In Osteuropa war er schon vor einigen Wochen. Doch ob die rechtspopulistische PiS aus Polen in der von Salvini mobilisierten Fraktion mitmacht, will man in Warschau bislang weder dementieren, noch bestätigen. Die Presse-Einladung ließ nun auch keine Rückschlüsse zu.

Ziel ist es, dritt- oder sogar zweitstärkste Fraktion zu werden. Prognosen sind schwierig. Auch weil noch offen ist, ob die Briten wegen der Brexit-Wirren die Wahl nicht doch mitmachen. Sie würden die komplexe Fraktionsarithmetik beeinflussen. Wie auch immer: Ein Viertel der Sitze könnten die Rechten wohl besetzen; wesentlich mehr als bislang.

Neues Bündnis der „Patrioten“

Das „Jugendtreffen“ in Rom klingt wie eine Ouvertüre, um Medien und Teilnehmer auf mehr vorzubereiten. Aus den Lautsprechern dröhnt „Thunderstorm“ von AC/DC, zwei Meter lange Fahnen der Lega-Partei werden geschwenkt und auf einer riesigen Leinwand läuft ein Video, das Monumente europäischer Hauptstädte zeigt.

Kämpferische Stimmung im Saal: Die „Lega“, Matteo Salvini und die Parteijugend sind auf einer Linie

„Make Europe great again – das ist die zentrale Forderung der ‚Lega Giovani'“, sagt deren „internationaler Koordinator“ Davide Quadri zur Begrüßung. Die Redner aus Belgien, Frankreich, Italien, Deutschland, Belgien und Großbritannien beschwören gemeinsame Feindbilder: Brüssel, Multikulti und Migranten. Sie verwenden Begriffe wie „Stolz“ und „Patriotismus“ für ihr politisches Marketing. Ihr Ziel: Regieren und die EU revolutionieren. Nach einer Stunde redet auch der junge Rechtspopulist aus Deutschland. Lohr teilt verbal kräftig aus – nennt Juncker einen „Polit-Clown“ und Merkel eine „Hexe“. Hier kann er offen reden.

Doch das ist noch fast zahm gegen Bart Claes vom belgischen „Vlaams Belang Jongeren“. Man dürfe sich niemals für die Geschichte des eigenen Volkes entschuldigen müssen. „Seid identitär!“ Lohr lässt sich keine Reaktion anmerken. In Deutschland würden sich selbst AfD-Hardliner wohl nicht mehr trauen, so etwas öffentlich zu sagen. Jetzt, da der Verfassungsschutz sie im Visier hat.

Diskussionen oder Fragen sind nicht vorgesehen. Nach drei Stunden kollektiven Aufputschens ist Schluss. Viele drängen auf die Bühne, wollen Selfies mit ihren Anführern machen. Auch Lohr lächelt dutzende Male in hochgehaltene Smartphones.

Motivation für die Jugend

So viel ungehemmte Begeisterung, das sei für ihn richtig ungewohnt gewesen, sagt Damian Lohr am nächsten Tag bei einem Stadtspaziergang mit den neuen italienischen Partnern. Er wirkt wie berauscht von der Stimmung. „So viele Emotionen!“

Damian Lohr vor dem Trevi-Brunnen, der JA-Chef genießt seinen Rom-Besuch

Doch könne aus zu viel Stolz und Patriotismus nicht neuer Nationalismus erwachsen, so wie schon oft in der Geschichte, der dann auch nach Deutschland überschwappt? Lohr überlegt, bevor er antwortet. Dann spricht er von gegenseitigem Respekt und Eigenverantwortung. Die Gefahr ins Nationalistische abzugleiten, ließe sich so eindämmen, erklärt er. Wenig später schaut der Jungpolitiker auf der Piazza Venezia zum überdimensionierten Nationaldenkmal für Vittorio Emanuel II auf: „Meine Güte, da würde das Brandenburger Tor ja mehrmals reinpassen,“ sagt er bewundernd.

Zwei bis drei Treffen im Jahr und eine eigene Organisation, die eng an die Mutterparteien angebunden ist, soll es zukünftig geben. Das ist der Plan nach dem Auftakttreffen.

Rom und Brüssel – der Kontrast könnte kaum größer sein. Die Hauptstadt der EU mit ihren kühlen modernen Gebäuden aus Glas und Stahl, in der die EU-Technokratie sitzt. Die Jahrtausende alte Stadt voller Denkmäler eines Imperiums, das mit seiner Kultur halb Europa prägte. Nun wollen Italiens Rechtspopulisten von Rom aus Europa prägen, nur ganz anders.

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