Monday, 25th March 2024
25 März 2024

Rocchigiani-Beerdigung: Ein letzter Applaus zum Abschied

Berlin (dpa) – Als der Sarg mit den roten und weißen Rosen aus der Kapelle getragen wurde, brandete ein letzter Applaus für Graciano Rocchigiani auf.
Zuvor hatten die beiden jüngsten Kinder des gestorbenen Ex-Box-Weltmeisters eine emotionale Video-Botschaft aus Sizilien geschickt: «Ciao Papa». Die Zusammensetzung des fast tausendköpfigen Trauermarsches auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Berlin-Schöneberg war so facettenreich wie das turbulente Leben des Kämpfers mit so vielen Ecken und Kanten.
Der Familie mit Bruder Ralf an der Spitze folgten Freunde und Wegbegleiter, prominente Arbeitskollegen aus dem Boxring und jede Menge muskelbepackte Herren mit dunklen Sonnenbrillen. Unter einem schlichten Holzkreuz fand Rocchigiani, der am 1. Oktober durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen war, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Gräbern der Gebrüder Grimm seine letzte Ruhe. Er wurde nur 54.
«Er war ein fairer Mensch. Im Leben und im Ring immer über der Gürtellinie», erinnerte sich sein ehemaliger Rivale Henry Maske. «Er war immer brutal ehrlich, auch, wenn es ihm geschadet hat», sagte Ex-Weltmeister Sven Ottke. Dariusz Michalczewski, gegen den Rocchigiani wie gegen Maske im ersten von zwei Kämpfen eine sehr umstrittene Niederlage hinnehmen musste, erinnerte sich an die guten Geschäfte: «Wir haben in beiden Kämpfen viele Millionen verdient.»
Im Boxring war der Weltmeister im Supermittelgewicht (1988-89) und Halbschwergewicht (1998-2000) umjubelter Champion. Er kassierte Millionen und verjubelte sie, ging ins Gefängnis und darbte als Hartz IV-Empfänger. Boxen lernte er bei den Neuköllner Sportfreunden. Er brach die Lehre als Gebäudereiniger ab, wurde 1982 deutscher Amateurmeister und danach Profi. 1988 holte er sich zum ersten Mal den WM-Titel.
Sein damaliger Manager Wilfried Sauerland, der zur Beerdigung aus Mallorca angereist war, hatte es nicht immer leicht mit dem Temperamentsbolzen aus Schöneberg: «Er war manchmal schwierig, aber wir haben uns immer zusammengerauft. Er war ein grundehrlicher Junge.»
Rocchigiani nahm selten ein Blatt vor den Mund. «Alles Beschiss, alles Schweine», polterte er nach dem ersten Kampf gegen Michalczewski 1996. Auch die verlorene WM gegen den Briten Chris Eubank zählte zur Kategorie der seltsamen Urteile gegen den Berliner mit Schnauze und ganz viel Herz.
Handfesten Streit hatte er auch immer wieder mit der Justiz. 1997 wurde er zu acht Monaten Haft auf Bewährung wegen Beleidigung eines Polizisten und Widerstandes gegen die Staatsgewalt verurteilt. Er hatte einen Ordnungshüter bei einer Verkehrskontrolle leicht angefahren und als «Advokatenscheißer» beschimpft. Oft blieb es aber nicht so harmlos. Rocchigiani fuhr betrunken Auto, verprügelte Taxifahrer, brach einem Wiener Hausmeister das Nasenbein, kam mit Drogen in Berührung.
Den größten juristischen Sieg erstritt der unbeugsame «Rocky» 2004 gegen den Box-Weltverband WBC. 4,5 Millionen Dollar Schadenersatz wurden ihm für die widerrechtliche Aberkennung des Weltmeistertitels zugesprochen. Der Geldsegen sorgte nicht lange für beschwingte Zeiten.
Zu seinem 50. Geburtstag hatte Rocchigiani Ende 2013 eine positive Bilanz gezogen. «Ich habe alles in allem ein schönes, erfolgreiches Leben. Ich bin im Prinzip ein Sonntagskind, habe immer auf der Überholspur gelebt. Die 22 Monate im Knast habe ich vielleicht auch verdient», sagte er damals der Deutschen Presse-Agentur.
Warum und unter welchen Umständen er in dem Ort Belpasso kurz vor Mitternacht auf der mehrspurigen Staatsstraße SS121 zu Fuß unterwegs war, dürfte ungeklärt bleiben. Ein Smart, gesteuert von einem 29-Jährigen, überfuhr Rocchigiani, der sofort tot war. Der Fahrer stand weder unter Alkohol- oder Drogen-Einfluss, hieß aus Polizeikreisen.

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